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»Homo Elektrik ist eine Party, ist eine Party, ist eine Party ... « ... und darum wollte ich an diesem vorletzten Freitag im Mai nichts lieber, als ins Conne Island gehen und sein wie eine Partyprinzessin, eine Partyprinzessin, eine Partyprinzessin. Ich betrat den Laden und fand einen verzauberten Ort vor: Die Bühne stand voll mit Sofas, an den Wänden tummelten sich Diaprojektionen von entzückenden Mädchen und Jungs, und auf der Tanzfläche stand eine meterhohe Rakete, die bereit zum Abflug schien. Doch statt selbst abzuheben, wurden aus dem Bauch des silbern schimmernden Raumgefährtes kleine Raketen an die Anwesenden ausgegeben, jene aperol-versetzten Getränke, die auf Homo-Elektrik-Parties inzwischen amtlichen Kultstatus erreicht hatten. |
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Überall fröhliche Menschen, vom ersten Beat an, den DJ resom über die Anlage schickte, wurde getanzt, als wenn es kein Morgen geben würde. Etwa um ein Uhr war der Laden voll, und plötzlich ging die Musik aus. Gegenüber der eigentlichen Bühne kletterte jemand auf ein Podest, drückte auf >play< und griff zum Mikrophon. Ein elektronisches Beatgewitter ging nieder, und die Person auf der Bühne tanzte und zuckte dazu in einer Weise, die die staunenden Anwesenden abwechselnd an Wham, Elvis und Elektroschock-Therapie erinnerte. Aber viel aufregender als die Frage nach den Vorbildern dieses wild-erotischen Körpereinsatzes war, wer, oder vielmehr was diese Performance vorführte. Die Person hatte nämlich die Kapuze bis unters Kinn ins Gesicht gezogen, war weder als Mann noch als Frau identifizierbar und sang durch die rote Baumwolle hindurch, was im Endeffekt nach nicht mehr oder weniger klang als einem bis zum Anschlag aufgedrehten Stimmverzerrer, den einzusetzen ja auch bei den ganz großen Popstars derzeit schwer in Mode ist. | |
Das Publikum war paralysiert, das Verwirrspiel um Geschlecht und Körperlichkeit zog alle in seinen Bann. Und auch als die Kapuze nach hinten rutschte, und namosh als Mann erkennbar wurde, riss die Begeisterung nicht ab. | |
Die Spannung steigerte sich noch, als beim letzten Track eine weitere Person die Bühne betrat: Dunkle Sonnenbrille, grade geschnittener Anzug und eine Pagenkopf-Frisur, die verdächtig nach Perücke aussah. Ich dachte: das ist wirklich eine Party, eine Party, und ich konnte nichts finden, was ich daran auszusetzten gehabt hätte. | |
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Eine Woche vorher war ich schonmal im Conne Island gewesen. Früher Samstag Abend, es gab eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Thema »Pop und Geschlechterrollen«. Nach dem Vortrag von Tine Plesch aus Nürnberg und dem weiteren eines jungen Mannes aus dem hiesigen Conne Island-Umfeld er hiess Holger entwickelte sich eine rege Diskussion. Doch drehte sie sich nicht um Pop und Geschlechterrollen, die Anwesenden nutzten vielmehr die freigeschalteten Mikrophone, um ganz grundsätzlich zu erörtern, ob eine Veranstaltung wie Homo-Elektrik in den Räumen und den politisch-theoretischen Gefilden des Conne Island überhaupt stattfinden dürfe. Homo-Elektrik sei nämlich, das sagte Holger, vorallem eine Party (eine Party, eine Party), und entspreche daher dem linken und antikapitalistischen Konsens des Ladens eigentlich kaum. Nebenbei wurde auch noch diskutiert, ob nicht mit dem Ladyfest, welches im August im Conne Island stattfinden soll, die gleichen Probleme mit der theoretisch-politischen Kongruenz entstehen, und Homo-Elektrik und Ladyfest ohnehin beide gleichermassen affirmativ und liberalistisch seien, was das Conne Island doch irgendwie grundsätzlich ablehne. | |
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Jetzt war ich also auf dieser Party. Ich stand zwischen über zweihundert Menschen, die bereit waren, sich alle Sinne verwirren zu lassen und die gängigen Muster von Homoerotik und heterosexuellen Rollenverhaltens hinter sich zu lassen. | |
Die Strukturen des Mainstream wurden komplett erschüttert, als namosh und die zweite Person auf der Bühne begannen, sich einen wilden Balztanz zu liefern. | |
Es wurde getobt und geschrien, als sie anfingen, sich auszuziehen. Unter der Pagenkopf-Perücke tauchte ein blonder Schopf auf, unterm Jackett ein eindeutig weiblicher Körper. Beide waren auf dem besten Wege, sich völlig zu entblättern. Einige Menschen im Publikum hielten den Atem an, hin und her gerissen zwischen heimlichem Voyeurismus und den Konventionen der Pürderie, die in der bürgerlichen Welt über alles und alle ihr Deckmäntelchen ausbreitet. | |
Der Striptease endete jedoch knapp oberhalb der Schamgrenze, und das was sich als nächstes ereignete, kann nicht anders beschrieben werden als mit der beliebten Metapher der Explosion: In Sekundenbruchteilen wandelte sich das Publikum selbst zum Live-Act und tanzte mit einer Leidenschaft und körperlichen Hingabe, die selten zu beobachten gewesen ist. | |
Ich war noch etwas benommen von den Erinnerungen an die These, dass eine Party eine per se affirmative Veranstaltung sei, und, das muss ich zugeben, auch ich schnappte noch ein bisschen nach Luft, nachdem die Auszieh-Schau meine sexuelle Integrität gestriffen aber doch letztlich nicht ernstlich versehrt hatte. | |
Ich setzte mich an die Bar, und trank Mirinda.
Neben mir sagte jemand: Nach den ganzen Diskussionen bin ich wirklich froh,
dass diese Party heute hier so stattfindet. Innerlich nickte ich. Ich atmete
tief durch. In diesem Moment musste ich mich entscheiden, ob ich mich den
Grübeleien über die Legitimität von Parties, Veranstaltungen
von Homo-Elektrik und dem Ladyfest hingeben wollte oder einfach ohne nachzudenken
Teil einer rauschenden, sinnenverwirrenden und horizonterweiternde Party
sein wollte. Ich trank die Limo aus, liess mir aus der Rakete eine Rakete
geben und zog auf dem Weg ins Tanzgewühl lasziv meine Strickjacke aus.
Die erdferne Umlaufbahn, auf die ich mich zu diesem Zeipunkt begab, habe
ich bis in den frühen Morgen hinein nicht mehr verlassen. Und wenn
mich jemand angrinste, konnte ich garnicht anders als haltlos zu brüllen:
Wir sind eine Party, eine Party, eine Party! |
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V. am Pool /// Juni 2003 ////////////////////////////////////////////////
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